Doch bevor die Geschichte richtig losgeht noch ein kleiner Hinweis: Diese Miniserie besteht aus zwei Teilen, die aber nicht aufeinander aufbauen, sondern in beliebiger Reihenfolge gelesen werden können. Im ersten Teil „Pferde zuhause halten“ lernen wir Birgit, die Kreative kennen.
Roberta, die Professionelle
Anders als die meisten anderen hatte Roberta keine romantischen Vorstellungen vom Wohnen mit Pferden, sondern handfeste Gründe. Zunächst einmal sind da ihre drei sehr unterschiedlichen Pferde mit individuellen Ansprüchen an die Haltung: Warmblut Spice mit seinen empfindlichen Fesselträgern, der immer wieder zu Verletzungen neigende Rheinländer Lunario „ein Schussel, der in jedes Loch reintritt“ und dann noch die pflegeleichte Quaterstute Fancy.
Roberta: „Ich will meine Pferde in Eigenregie halten, weil es mir sowieso keiner recht machen kann. Wenn dann doch etwas passieren sollte, habe wenigstens ich Schuld und muss mich nicht über jemand anderes Ärgern. Außerdem will ich, dass alles sicher ist: sichere Zäune, keine Verletzungsgefahren wie herausstehende Nägel, Stolperfallen, giftige Pflanzen und so weiter. Meine Pferde sollen optimal in Rücksicht auf ihre individuellen Wehwehchen gehalten werden.“
Hinzu kommt der finanzielle Aspekt: Bisher standen die drei Pferde in einem Pensionsstall, wo die Einstellungskosten allein schon vierstellig waren. Dazu kam die Fahrzeit, denn Roberta wohnte mit ihrem Mann in einer schicken Großstadt-Wohnung und fuhr täglich dreißig Kilometer in den Stall – eine Strecke. Die Idee ist, durch Wohnen mit Pferden eine günstigere Bleibe auf dem Land zu finden, die Pensions- und Fahrkosten zu sparen, die gesparte Zeit in die Stallarbeit zu investieren und durch optimale Haltung die medizinischen Kosten der Pferde zu senken.
Eine geeignete Immobilie finden
Also machte sich das Ehepaar auf die Suche nach einer geeigneten Bleibe. Roberta: „Mir war wichtig etwas zu finden, was genehmigt ist – sonst könnte ich nachts nicht ruhig schlafen.“ Das ihr Mann Paul beruflich aufs Internet angewiesen ist, machte die Suche nicht einfacher. Roberta: „Internet ist echt ein großes Thema hier auf dem Land – das kommt noch vor dem Wetter.“
Endlich fündig geworden
Zuletzt fanden sie dann eine Immobilie, die all ihren Wünschen entsprach und ideale Bedingungen für Wohnen mit Pferden anbietet: Eine 100 Quadratmeter-Wohnung in einem Zweifamilienhaus mit großem Garten. Direkt nebenan ist der Pferdestall und die angrenzende Hausweide. Etwa 50 Meter entfernt davon befindet sich die Hauptweide von rund 8000 Quadratmetern, die über einen unbefestigten Weg zu erreichen ist.
Erste Aufräumarbeiten
Doch bevor die Renovierungsarbeiten anfangen konnten, musste erst mal aufgeräumt werden. Auf den Paddocks lagen Planen, im Gestrüpp Bauschutt und die Scheune war bis unters Dach vollgestellt mit altem Sperrmüll. Paul: „Wir haben 30 Kubikmeter Müll entsorgt, bevor wir mit der eigentlichen Arbeit beginnen konnten.“
Wohnen mit Pferden: Stallgebäude und Scheune
Die Scheune
Die Scheune war in einem maroden Zustand. Da sie sich aber im sogenannten „Außenbereich“ befindet, darf sie nicht einfach abgerissen und durch ein neues Gebäude ersetzt werden. Roberta: „Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die einsturzgefährdete Scheune abreißen und innerhalb von 12 Stunden wieder mit Hilfe einer Fertigbau-Scheune neu aufstellen. Oder die alte Scheune Stück für Stück restaurieren: Zuerst die eine Wand, dann die nächste und so weiter, zum Schluss das Dach. Wir haben uns für die zweite Möglichkeit entschieden.“
Der Stall
Die Idee ist, dass die Pferde sich in Stall, Paddock und Hausweide frei bewegen können. Der Stall ist bereits bezugsfertig und enthält sogar eine Notbox, wenn mal ein Pferd krank sein sollte. Die andere Box wird noch zur Sattelkammer umfunktioniert. Die übrigen Boxen mussten einer großen Grundfläche weichen, auf der sich die Pferde frei bewegen können.
Arbeitserleichterung durch Technik
Langfristig geplant ist, sich durch Technik die Arbeit zu erleichtern und Zeit zu sparen: Es sollen noch ein automatischer Heudosierer und ein Futterautomat angeschafft werden. Durch die Fertigstellung der Hausweide entfällt dann demnächst das zeitaufwendige Raus- und Reinbringen der Pferde.
Das Heulager
In der Scheune wollte Roberta ihr Heu lagern. Allerdings ist der Raum begrenzt und reicht für den Futterbedarf von etwa einem Monat. Als sie zuletzt Heu ordern wollte, hieß es, sie müsse jetzt den kompletten Heubedarf bis zur nächsten Ernte bestellen. Grund dafür ist der heiße Sommer 2018, der für eine magere Heuernte sorgte. Jetzt ist Heu knapp, die Preise steigen und jeder rafft, was er kriegen kann aus Angst, dass bald nichts mehr da ist.
100 Rundballen finanzieren und einlagern
Jetzt war guter Rat teuer. Für die bestellte Menge von 100 Rundballen sind keine Lagerkapazitäten vorhanden. Nachdem sich Roberta in der Dorfgemeinschaft umgehört hat, fand sie zum Glück einen Bauern, der ihr seine leerstehende Scheune zur Verfügung stellt. Natürlich mussten die 100 Rundballen auch sofort bezahlt werden, was erst einmal ein großes Loch in die Haushaltskasse reißt, denn diese Ausgabe war so nicht geplant.
Wasseruhr tiefer gelegt
Weil die Wasseruhr immer wieder einfrohr und der zuständige städtische Mitarbeiter deshalb in den letzten Jahren 24 Mal rausfahren musste, wurde sie tiefer ins Erdreich gelegt. Dazu waren Erd- und Kanalisationsarbeiten notwendig, deren Kosten nicht einkalkuliert waren.
Wohnen mit Pferden: Der Paddock
Der Paddock ermöglicht einen Rundlauf um den Stall herum und ist inzwischen von Unrat befreit, eingeebnet und mit regendurchlässigen Matten bedeckt. Darüber liegt huffreundlicher Sand. Der Auslauf wurde ganz neu mit mobilen Gittern eingezäunt. Paul: „Die sind pflegeleicht und ewig haltbar. Außerdem haben sie kaum Wertverlust, falls wir sie mal verkaufen wollen.“
Berg-Ahorn musste weichen
Ein Dorn im Auge waren für Roberta die zahlreichen Berg-Ahorne, die direkt auf der Grenze zum Paddock standen. Samen und Sämlinge dieser Laubbäume sind hochgiftig für Pferde und lösen die gefährliche Atypische Weidemyopathie aus, deren Verlauf qualvoll und meist tödlich für das betroffenen Pferd endet. Kurzerhand wurden die Berg-Ahorne gefällt und abtransportiert.
Sandplatz zum Wohlfühlen
Roberta: „In meinem ehemaligen Pensionsstall gab es einen Sandplatz, in dem alle Pferde im Sommer geschlafen haben. Die schienen sich darin total wohlzufühlen. So einen Platz will ich auch unbedingt haben.“ Die dafür vorgesehene Fläche ist bereits vorbereitet für das Projekt, muss aber noch mit Sand aufgefüllt werden.
8000 m2 Weide neu eingezäunt
Damit die Pferde möglichst bald einziehen konnten, wurde die große Weide mit dreizeiligem Elektroband komplett neu eingezäunt. Das war notwendig, denn die vorhandenen Zäune waren nicht mehr sicher. Um die Löcher für die Holz-Pfähle zu bohren, haben die beiden extra eine spezielle Maschine angeschafft.
Roberta: „Die Weidepflege hatte ich unterschätzt. Damit meine ich nicht das Abäppeln – die drei Pferde produzieren täglich eine Schubkarre voll, das schaffe ich in 30 Minuten. Sondern die Zaunpflege: Damit der Strom ungehindert fließen kann, muss das Gestrüpp und Gras unter dem Zaun kurzgehalten werden. Trotz Motorsense geht dafür viel Zeit drauf.“
Weil es noch keinen Wasseranschluss zur Hauptweide gibt, müssen Roberta und Paul täglich eine große Wanne frisches Wasser für die Pferde auf die Weide bringen. Aber das ist nur übergangsweise, der Anschluss ist bereits geplant.
Wenn die Hausweide fertig eingezäunt und angelegt ist, können die Pferde vom Stall selbst auf die Wiese und sind mit Wasser automatisch versorgt.
Wie kommt Ihr mit dem Landleben klar?
Vor allem Paul galt bis zu diesem Umzug in seinem Freundeskreis als absoluter Stadtmensch und auch die bodenständige Roberta kannte das Leben auf dem Land bisher nicht. Doch beide gehen aktiv auf die Landbevölkerung zu, die sie als sehr hilfsbereit empfinden und versuchen, sich so gut wie möglich zu integrieren.
Roberta: „Gleich in der ersten Woche war ich zum Kranzbinden mit den Damen eingeladen und Paul musste mit den Männern zum Baumschlagen. Diese Geschlechtertrennung ist für uns ungewohnt, scheint aber auf dem Land üblich zu sein. Ich fand es jedenfalls total nett, dass wir sofort eingeladen wurden und mit dazugehörten.“
Paul: „Erstaunlicherweise leben hier in der Gegend viele Menschen so um die Mitte Vierzig, also so wie wir. Von Überalterung haben wir noch nichts bemerkt. Und auch technisch sind wir hier bald auf dem neuesten Stand: die Stadt hat bereits die Verlegung von Glasfaserkabeln angekündigt.“
Wohnen mit Pferden: Fazit
Obwohl noch längst nicht alles so ist, wie die Roberta und Paul es sich wünschen, sind sie von ihrem Vorhaben fest überzeugt und glauben, mit dem Umzug aufs Land und dem Projekt „Wohnen mit Pferden“ das Richtige getan zu haben.
Roberta: „Ich habe das Gefühl, ich bin endlich in meinem Leben angekommen. Die ganze Arbeit und das Leben mit den Pferden macht mich glücklich.“
Paul: „Auch finanziell betrachtet geht der Plan auf: trotz der anfänglich hohen Investitionskosten kann man jetzt schon absehen, dass sich der Umzug langfristig lohnt.“